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New Work im Handwerk: So gelingt die 4-Tage-Woche

New Work im Handwerk: So gelingt die 4-Tage-Woche

Weniger Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich. So wird das Konzept der Vier-Tage-Woche häufig diskutiert. Einige Handwerksbetriebe unterschiedlicher Gewerke zeigen in vielen Formen, wie New Work gelingt und für die Belegschaft zu einer echten Win-Win-Situation wird.

Vanessa Mitryaev

Ein echtes Münchener Kindl mit ganz viel Glück im Leben - denn ihr Vater ist Kaminkehrer. So ist es nicht verwunderlich, dass auch Vanessa das Handwerk liebt. Und trotz zwei linker Hände erzählt sie auf dem Handwerkblog spannende Geschichten aus dem Handwerk.

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Versicherung im Handwerk

Worum es geht

Wer sich mit der Frage befasst, ob eine verringerte Arbeitszeit gelingt, der steht vor zwei Problemen: Woher bekomme ich mitten im Fachkräftemangel mehr Personal? Wie schlägt sich die Arbeitszeitverschiebung auf das Gehalt nieder? Während der erste Teil sich durch das Argument entkräften lässt, man werbe durch innovative Arbeitszeitsysteme insbesondere stärker um Auszubildende und junge Menschen, ist dies bei der Frage nach der Bezahlung schwieriger.

Zurecht verwies die eingeladene Frisörmeisterin im ZDF darauf, dass jeder Bedienstete sein Gehalt anteilig durch Umsatz hereinverdienen muss. Senkt man die Arbeitszeit, bedeutet dies im Umkehrschluss, dass Preise angehoben werden müssen. Tun Unternehmen dies nicht, laufen sie Gefahr, die Mehrkosten selbst tragen zu müssen. Was in einigen Branchen einfacher ist, das gestaltet sich insbesondere bei Dienstleistungen schwieriger: Dort, wo Zeit und Geld miteinander direkt 1:1 ausgetauscht werden, benötigt es grundsätzliche Entscheidungen, die dann mitunter auch Kunden ausschließt.

Fachkräftemangel: Ein Friseur denkt um

Dennoch zeigen Unternehmen, dass und wie es gelingt. Da ist zum Beispiel der Frisör Haarem in Erding. Inhaber Rainer Stöhr berichtet dem Münchener Merkur ausführlich, wenn er darauf hinweist, dass es ihm gelungen ist, ohne Umsatzrückgang die 4-Tage Woche einzuführen. Dabei war die Entscheidung dazu weniger dem unternehmerischen Willen als vielmehr dem Personalmangel geschuldet.

Sein Erfolgsrezept ist einfach: Friseure im Salon arbeiten an vier Tagen zwei Mal zehn und zwei Mal neun Stunden. So kommen sie auf die tariflich vorgeschriebenen 38 Stunden, die sie als Anspruch für ein volles Gehalt benötigen. Das Feedback der Angestellten ist positiv und auch das Betriebsklima steigt. So berichten alle Befragten, dass sie die freie Zeit nutzen, um beispielsweise mehr Zeit mit der Familie zu verbringen. Generell ist das Zwischenmenschliche als Gesprächsthema im Salon angestiegen, weiß Rainer Stöhr als Inhaber zu berichten.

Die Herangehensweise vom Salon Haarem zeigt also, dass es vor allem der individuellen Bereitschaft bedarf, um neue Wege zu gehen. Ziehen nicht alle an einem gemeinsamen Strang, sind solche besonderen Modelle nicht möglich. Er ist aber auch Hinweis darauf, dass 4-Tage-Woche nicht damit gleichbedeutend ist, weniger zu arbeiten, sondern sich Arbeitszeiten mitunter verschieben. Wo also heute bereits viele Überstunden geleistet werden, könnte die Reduzierung des Arbeitszeitfensters auf vier Werktage auch dazu führen, dass weniger Überstunden anfallen.

 

Großer Mut bei Metallern: Ruf & Keller wagen sich an die 3-Tage-Woche und vollen Lohnausgleich

Auch im Metallbau ist die Suche nach Personal oft anstrengend, sodass Armin Zimmermann und Markus Ruf sich überlegt haben, wie sie dieses Problem zielführend lösen können. In Tengen-Watterdingen heißt es deshalb seit geraumer Zeit: Willkommen zur 3-Tage-Woche. Zumindest ist das der Plan ab Oktober dieses Jahres.

Gearbeitet werden soll im Betrieb in zwei Schichten, die an 3 Tagen je Woche insgesamt 30 Stunden erbringen. Dies lässt die Fixkosten sinken, da Maschinenlaufzeiten erhöht werden. In der Folge steigt der Output ebenfalls an. So peilen Unternehmer und Belegschaft eine Win-Win-Situation an: Weniger Arbeitstage sollen zum gleichen Gehalt führen. Allerdings entscheiden die Mitarbeiter selbst, ob sie teilnehmen möchten oder nicht. Auszubildende sind grundsätzlich ausgeschlossen, da diese lediglich acht Stunden je Tag arbeiten dürfen.

Da zehn Stunden Arbeitszeit wirklich ein hoher Umfang ist, wird nach Ende der Schicht abgeschaltet. Das gilt nicht nur für die Maschinen, sondern auch die Beschäftigten haben keinen Anspruch mehr auf Überstunden und sollen diese auch künftig nicht mehr leisten.

Auch dieses Beispiel zeigt, dass es vor allem die unternehmerische Aufgabe ist, die Komplexität in der Flexibilisierung von Arbeitszeiten aufzulösen. Sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber müssen die Sicherheit haben, dass sie jederzeit von einem System auch wieder ins Andere wechseln können, insofern nicht alle Abteilungen gemeinsam ein neues Arbeitszeitmodell beschließen. Das zieht vor allem einen hohen Verwaltungsaufwand nach sind.

Die 4-Tage-Woche ist längst Realität

Diese Beispiele weisen auf einen gemeinsamen Kern hin: Die 4-Tage-Woche ist längst kein Gedankenexperiment mehr, sondern sie belebt vor allem die Zusammenarbeit und das Betriebsklima. Freie Zeit wird vor allem in Bereiche der Care Arbeit investiert, sodass insbesondere Familien von einem zusätzlichen, freien Tag profitieren.

Gefragt sind nun mehr jedoch auch Mutige, die den Aufwand auf sich nehmen und die verwaltungstechnischen Grundlagen dazu legen, ein funktionierendes Modell zu entwickeln. Denn – auch das wird deutlich – die 4-Tage-Woche besitzt unterschiedliche Ausgestaltungen, sodass jedes Unternehmen seinen Weg finden muss: Ob mit oder ohne vollen Lohnausgleich, ob mit oder ohne volle Arbeitszeit.

Titelbild: © Cecilie Arcurs/peopleimages.com / stock.adobe.com