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Im Gespräch: „Fachkräftemangel – gehen uns morgen die Talente aus?“

Im Gespräch: „Fachkräftemangel – gehen uns morgen die Talente aus?“

Der Fachkräftemangel sorgt seit geraumer Zeit für Gesprächsstoff und das vor allem innerhalb der Handwerksbranche. Speziell kleinere Betriebe sehen sich mit dem Thema aktuell konfrontiert. Aber auch bei größeren Unternehmen macht sich der Fachkräftemangel immer stärker bemerkbar. Um dem Mangel an qualifiziertem Personal langfristig entgegenzuwirken, gibt es verschiedene Lösungsansätze, Institutionen und Tools, die dabei helfen, Personal zu finden und zu halten. Passend zum Thema haben die Handwerksfilmer in ihrem Format „Im Gespräch“ zu einer vom Münchener Verein unterstützten Diskussionsrunde eingeladen. Neben dem Moderator Patrick Neumann, Chefredakteur des Handwerk Magazin, sind Christiane Nowottny, stellv. Hauptgeschäftsführerin der HWK Reutlingen, Benjamin Schaible, selbständiger Installateur- und Heizungsbauermeister, Volker Kiesel, selbstständiger Elektrotechnikmeister und Daniel Boban von der Agentur für Arbeit vor Ort, um Ursachen und Lösungswege aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu diskutieren. Was die Teilnehmer genau zu sagen hatten und das dazugehörige Video von der Diskussionsrunde findet ihr hier auf dem Handwerkblog!

Maximilian Ziegler

Mein Name ist Max Ziegler, ich studiere Social Media und bin hier beim Münchener Verein als Werkstudent tätig. Besonders gefällt mir das Schreiben von Blogs für den Münchener Verein, da ich hierbei Einblicke in verschiedenste Themenbereiche erlange und ich meiner Kreativität gleichzeitig freien Lauf lassen kann. In meiner Freizeit reise ich gerne und treibe Sport mit Freunden.

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Digitalisierung im Handwerk

Was kann aus Sicht der Handwerker gegen den Fachkräftemangel getan werden?

Um dem Fachkräftemangel langfristig entgegenzuwirken, müssen handwerkliche Betriebe mehr Präsenz im Internet zeigen, um so der breiten Öffentlichkeit die Türen zu öffnen. Positive Einblicke in die Handwerksbranche via Social Media zu gewähren ist hier das A und O, um vor allem die fehlende jüngere Generation neugierig zu stimmen und um mit alten Klischees aufzuräumen, sagen Kiesel und Schaible.

Agentur für Arbeit - Bewerber fördern, Motivation steigern

Auch die Agentur für Arbeit hat mit dem Fachkräftemangel zu kämpfen. Diese ist vor allem im Handwerkssektor ein wichtiger Partner für viele Betriebe, um Arbeitskräfte zu mobilisieren. Bemängelt wird jedoch die fehlende Motivation vieler Bewerber, die durch die Agentur für Arbeit vermittelt werden. Diese wollen sich dem Arbeitsmarkt oftmals gar nicht zur Verfügung stellen, sondern sehen das Bewerbungsgespräch eher als Pflichtbesuch an und nicht als Chance, kritisiert Christian Hierl vom Jura Holzbau. Hier interveniert die Agentur für Arbeit und versucht potenzielle Bewerber durch eine ausgiebige persönliche Beratung, informativen Bewerbertagen und neuen Bewerbungsformaten zu motivieren und auf den richtigen Pfad zu bringen. Auch auf Fort- und Weiterbildungen wird ein besonderes Augenmerk gelegt. Diese Umschulungen sollten so attraktiv und einfach wie möglich gestalten werden, um Interessenten bestmöglich zu fördern, sagt Daniel Boban.

Mitarbeiterakquise richtiggemacht

Aber auch die Betriebe selbst können zum Erfolg der Mitarbeiter- bzw. Azubiakquise beitragen, indem sie eine klar strukturierte Strategie verfolgen. Des Weiteren können handwerkliche Betriebe bei Bewerbern punkten, indem sie ihre Persönlichkeit zu Geltung kommen lassen. Nah und erlebbar ist hier die Divise. Dies ist vor allem im Handwerkssektor von großer Bedeutung, da handwerkliche Betriebe als „People-Business“ meist sehr familiär strukturiert sind, erklärt Experte für Mitarbeitergewinnung Jörg Mosler. Um Außenstehenden die Türen zu öffnen, darf Social-Media als Tool nicht vernachlässigt werden, denn hier haben die Betriebe die Möglichkeit, mit Klischees und Vorurteilen aufzuräumen und Neugierde bei potenziellen Bewerben zu wecken.

Azubine und Ausbildungsbotschafterin Valeria im Interview

Valeria Sanfilippo, Auszubildende Elektrotechnikerin Energie- und Gebäudetechnik, kam durch ihren Vater, der selbst Handwerker ist, das erste Mal in Kontakt mit dem Handwerk und ist seitdem Feuer und Flamme für die Branche. Trotz anfänglichem Misstrauen aus Ihrem Umfeld wagte Sie den Schritt in die Handwerksbranche. Sie erklärt, dass der Weg dorthin jedoch alles andere als einfach war. Denn als Schülerin eines Gymnasiums war für Sie eher die akademische Laufbahn, als eine „einfache“ handwerkliche Ausbildung vorbestimmt. Dies wurde ihr auch an Berufsinformationstagen deutlich. Denn meist wurde hier über die einfachen Ausbildungen, die mit Praxisnähe und somit guten Übernahmechancen punkten können, weniger oder teilweise gar nicht informiert. Davon hat sich Valeria nicht aufhalten lassen, denn als praktisch orientierter Mensch kam das Studium für sie von vornherein nicht infrage und so entschied sie sich nach einem Praktikum letztendlich für die Ausbildung zur Elektrotechnikerin. Zusätzlich setzt sie sich seit geraumer Zeit als Ausbildungsbotschafterin tatkräftig für die Handwerksbranche ein und versucht vor allem jungen Mädchen die Tür zur Handwerksbranche zu öffnen.

Wie sollten handwerkliche Betriebe mit dem Fachkräftemangel umgehen?

Die meisten handwerklichen Betriebe spüren die Folgen des Fachkräftemangels deutlich. Ihnen stellt sich die Frage, wie sie am besten auf die Situation regieren sollten. Experte für Mitarbeitergewinnung, Jörg Mosler empfiehlt, dass betroffene Unternehmen die Situation auf dem Arbeitsmarkt so annehmen sollten wie sie ist, denn daran lässt sich zeitnah nicht sonderbar viel ändern. Dies mag zwar zunächst etwas abstrakt wirken, jedoch ist dieser Schritt essenziell. Ist ein Lösungsansatz gefunden, heißt es anschließend passend zum Motto im Handwerk „einfach machen“, die richtigen Entscheidungen treffen und zielstrebig am Ball bleiben. Diese Tipps mögen zwar nicht äußerst attraktiv klingen, jedoch versprechen sie Erfolg, wenn es um die Mitarbeiter- bzw. Auszubildendenakquise geht, so Mosler.

Unternehmen müssen Anreize setzen

Immer mehr im Handwerk tätige Personen lehnen eine Ausbildung ab und arbeiten dort als ungelernte Kraft. Damit nehmen sie einen geringeren Lohn in Kauf. Dies liegt aer vor allem daran, dass Auszubildende, die beispielsweise Kinder haben oder Miete zahlen müssen, oftmals nicht genug gefördert werden. So kommt die Ausbildung für viele Interessenten aus finanzieller Sicht gar nicht erst infrage. Dabei wäre das Absolvieren einer Lehre sowohl für den Bewerber als auch für das Unternehmen und die Steuerzahler von Vorteil, denn diese schafft für beide Seiten Perspektive, erklärt Hierl. Unternehmen müssen also umdenken und den Bewerbern einen Mehrwert bieten, um relevant zu sein. Zuschüsse zum Handyvertrag, Spritgeld in ländlichen Regionen oder die Mitgliedschaft in einem Fitnessstudio bis hin zur Förderung von Weiter- oder Ausbildungsmaßnahmen sind hier sinnvolle Hilfestellungen. Hierbei können sich die Betriebe mit Personalberatungen oder Work-Shops zum Thema von der Handwerkskammer unterstützen lassen, so Christiane Nowottny, stellvertretende Hauptgeschäftsführerin der HWK Reutlingen.

Umdenken bei der Personalbeschaffung

Ist der deutsche Arbeitsmarkt ohne Erfolg abgegrast, wird die Beschaffung von Personal aus dem Ausland zur sinnvollen Alternative, sagt Boban. Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz ist hier ein zentraler Begriff und ebnet den Unternehmen den Weg, sich qualifiziertes Personal aus dem Ausland zu beschaffen. Hierbei können sich die Unternehmen von der Agentur für Arbeit beraten und unterstützen lassen. Die Agentur für Arbeit stellt hierfür Spezialisten bereit, die die Unternehmen bei ihrer Suche im Ausland begleiten und ihnen bei bürokratischen Angelegenheiten, wie zum Beispiel der Anerkennung der ausländischen Berufsausbildungen zur Seite stehen. Auch ein sogenannter „Headhunter“ kann eine sinnvolle Alternative zur normalen Personalbeschaffung darstellen. Dieser sucht speziell anhand der Wünsche des Unternehmens nach passenden Bewerbern und vermittelt diese an das Unternehmen, erklärt Personalberater und  Christian Könitzer. Hierbei variieren die Preise je nach gesuchtem Beruf sehr stark. Speziell für kleinere Unternehmen ist diese Option jedoch meist zu kostspielig, obwohl genau sie am stärksten vom Fachkräftemangel betroffen sind.

Frauenpower im Handwerk

Leider entscheiden sich Frauen nach wie vor eher selten für eine handwerkliche Ausbildung. Laut Christiane Nowotny liegt dies vor allem daran, dass den jungen Leuten ein Klischeedenken anerzogen wird. Während Jungs technische Spielzeuge vorgesetzt bekommen, spielen die jungen Mädchen eher mit Puppe und Co. Durch diese stereotypisierte Erziehung gerät das Handwerk schon in Kinderjahren aus dem Fokus der Mädchen, was dazu führt, dass eine handwerkliche Ausbildung von vornherein nicht als sinnvolle Alternative zum Studium oder anderen Ausbildungen angesehen wird. Gerade durch Ausbildungsbotschafterinnen wie Valeria, die auf verschiedenen Kanälen über den Alltag einer Handwerkerin aufklärt, versucht die HWK Reutlingen mit Klischees aufzuräumen und junge Frauen dahingehend zu motivieren, eine handwerkliche Lehre in Erwägung zu ziehen. Auch Initiativen wie der Girls-Day bieten jungen Mädchen eine tolle Möglichkeit, das Handwerk und die Handwerkerinnen selbst hautnah kennenzulernen.

Mitarbeiter*innen fördern und binden

Besonders in Zeiten des Fachkräftemangels zählt es jeden Mitarbeiter so lange wie möglich im Unternehmen zu halten. Seine Mitarbeiter zu fördern ist hier der Schlüssel zum Erfolg. „Im Gespräch“ hat zu diesem Thema eine Handvoll Betriebe besucht und gefragt, wie diese ihre Mitarbeiter unterstützen und halten. Vor allem gemeinsame Aktivitäten sind hier sehr beliebt bei den Mitarbeitern und Betrieben, denn diese machen Spaß, steigern den Teamgeist und sorgen zusätzlich für ein familiäres Betriebsklima. Aber auch ein gleichgültiges Mitspracherecht stimmt Mitarbeiter positiv und motiviert diese dazu, sowohl das Unternehmen als auch die Arbeitsschritte und Produkte zu verbessern. Neben den oben genannten Optionen gibt es aber noch unzählige andere Möglichkeiten, seinen Mitarbeitern einen Mehrwert zu bieten, wie zum Beispiel das Angebot einer betrieblichen Altersvorsorge. Um sich Know-How zu sichern, wird es für Unternehmen also immer wichtiger, ihre Mitarbeiter auch außerhalb der eigentlichen Arbeitsprozesse zu unterstützen. Von diesen zusätzlichen Leistungen profitieren nicht nur die Mitarbeiter, sondern auch das Unternehmen selbst, denn Betriebe, die ihre Mitarbeiter über den Standard hinaus fördern, haben laut Boban eine weitaus bessere Chance, sich bei Stellenausschreiben gegen die Konkurrenz durchzusetzen.

Titelbild: © Seventyfour / stock.adobe.com