Frauen im Handwerk: Ein gallisches Dorf?
Medien berichten über die Probleme im Handwerk derzeit sehr häufig. Aktuelle Themen: Der Fachkräfte- und Nachwuchsmangel. Ein Gegentrend bleibt hierbei jedoch häufig unerwähnt. Und das zu Unrecht, wie wir finden. Denn so belegen Studien, dass die Anzahl junger, im Handwerk tätiger Frauen und Mädchen jährlich wächst. Über die Gründe des positiven Trends haben wir mit Anna Ramsauer, Systemplanerin und Mitglied bei den Unternehmerfrauen im Handwerk, gesprochen.
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Vanessa Mitryaev
Ein echtes Münchener Kindl mit ganz viel Glück im Leben - denn ihr Vater ist Kaminkehrer. So ist es nicht verwunderlich, dass auch Vanessa das Handwerk liebt. Und trotz zwei linker Hände erzählt sie auf dem Handwerkblog spannende Geschichten aus dem Handwerk.
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Digitalisierung im Handwerk / Elektroniker
Probleme im Handwerk: Fachkräftemangel
Es stimmt. Auch in diesem Jahr werden wohl viele Lehrstellen im Handwerk unbesetzt bleiben. Die Folge: Lange Wartezeiten bei Kunden, die in eine hohe Unzufriedenheit und ein sinkendes Interesse junger Menschen an einem Lehrberuf im Handwerk münden. Dieser Teufelskreis scheint fast vorprogrammiert, wäre da nicht eine positive Tendenz, die an ein kleines, gallisches Dorf im Norden Frankreichs zur Zeit der Römer erinnert. Denn immer mehr Frauen wagen den Schritt in das noch immer männerdominierte Handwerk – mit großen Erfolgen!
Auf die Kreativität kommt es an
Denken wir zurück an die Asterix-Filme: Wesentlich für dieses Dorf war nicht seine körperliche Stärke oder die Anzahl der Männer und Frauen(!), die Legionen von Römern entgegentraten. Es war seine Kreativität, die das eigene Überleben sicherte. Gleiches gilt für das Handwerk, das es durch zahlreiche Initiativen, wie den Girls-Day in den vergangenen Jahren geschafft hat, vermehrt Mädchen und junge Frauen von sich als Arbeitgeber zu überzeugen.
Eine von Ihnen: Anna Ramsauer, die im elterlichen Betrieb, ELEKTRO-NETZWERK RAMSAUER e. K., eine Ausbildung zur Systemplanerin abgeschlossen hat. Wir haben sie zum Interview eingeladen und uns ihre Sicht auf den Fachkräftemangel und Frauen im Handwerk angehört. Auf die Frage dazu, ob sie dem Trend von mehr Mädchen und jungen Frauen im Handwerk zustimmt, erzählt sie von der Situation in den Berufsschulen. Dort gibt es häufig noch wenig weibliche Lehrlinge in den Klassen.
Dennoch: “Die Firmen sprechen jetzt mit Werbemaßnahmen, wie zum Beispiel auch Social Media, vermehrt Frauen an. Im Handwerk benötigt es eben längst nicht nur körperliche Stärke, sondern auch Geschick, Köpfchen und Feinmotorik sind gefragt, um die Arbeiten ausführen zu können”, so die junge Bayerin.
Aufmerksamkeit verändert die Wünsche
Einen wesentlichen Grund dafür, dass sich zunehmend mehr weibliche Lehrlinge trauen einen Handwerksberuf zu erlernen, sieht Anna Ramsauer in Aktionstagen wie dem Girls-Day oder MINT-Initiativen. Aber auch Vorbilder im direkten Umfeld, die ein neues Bild von Frauen im Erwerbsleben prägen, seien entscheidend.
Wesentlich sei zudem die Struktur des Handwerks, so die Veldenerin weiter. Familiäre Betriebe ermöglichen es im Unterschied zu Großunternehmen, individuell zu fördern und somit auch einen geschützten Raum zu schaffen, indem besonders Mädchen und junge Frauen ohne Furcht die ersten, eigenen Schritte im eher männlich dominierten Beruf gehen können.
Dieser Brückenschlag weist auf die Zukunft hin, die sich Anna Ramsauer für Frauen im Handwerk wünscht: ”Frauen gehen anders an Aufgaben ran als Männer. Sie können ihren Kopf häufig durch bessere, schulische Leistungen nutzen, benötigen aber insbesondere bei körperlich anstrengenden Aufgaben Unterstützung von Männern. Deshalb profitieren Betriebe von “gemischten” Teams, die es erlauben, die Stärken beider Geschlechter zielführend im eigenen Interesse zu nutzen.”
Da ist sie wieder: Die Parallele zum gallischen Dorf im französischen Norden. Auch dort galt ein Nebeneinander von Mann und Frauen, ebenso wie die Gleichberechtigung untereinander als selbstverständlich und der Fokus im Miteinander lag besonders darauf, die Stärken aller gewinnbringend zu nutzen.
Ein Stück Weg liegt noch voraus
Etwas Weg liegt trotz steigender Anzahl junger Frauen im Handwerk noch vor der Branche. Längst nicht jeder Arbeitgeber und Betrieb hat die Vorteile von gemischten Teams erkannt und gerade unter bereits bestehenden Gemeinschaften kann es immer wieder mal zu Reibungen und Vorurteilen kommen, so Anna Ramsauer.
Deshalb fordert die junge Bayerin, dass alle im Handwerk Tätigen verstehen: Nur gemeinsam kann dem Fachkräftemangel entgegengewirkt werden. Es genügt eben nicht, “nur” Möglichkeiten aufzuzeigen, sondern auch der Alltag muss die unterschiedlichen Bedürfnisse der Lehrlinge abbilden. Erst wenn es gelingt, viele Auszubildende gleichermaßen zu fordern und zu fördern, können Unternehmen dem Mangel wirksam entgegentreten.
Zugleich benötigt es jedoch nicht nur für Personen, die das Handwerk erlernen möchten, mehr Anreize. Anna Ramsauer verweist darauf, dass insbesondere die Kosten für Meisterschule und Weiterbildungen eine Mehrbelastung sind. Auch hier gilt es umzudenken, um ausgelernte Handwerker und Handwerkerinnen dauerhaft an ihren Beruf zu binden.
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